Achtsam sprechen
Einen spielerischen Zugang zu einer bewussten Sprache bietet dieses kleine Buch. Die Autorin deckt mit klaren Worten Unbewusstheiten im alltäglichen Sprachgebrauch auf. Sie lockt zu einem reichen Wortschatz, weist auf die Fähigkeiten der Adjektive hin, das Leben farbig zu sehen. Das eröffnet mir einen neuen Blick auf diese Eigenschaftswörter, denn in beinahe allen Schreibworkshops, die ich bisher besuchte, wurde stets davon gesprochen, Adjektive nach Möglichkeit zu vermeiden. Scheurl-Defersdorf findet diese kleinen Beigaben zauberhaft und wunderbar.
Tag eins beginnt mit der Grammatik, um aus dem von uns so häufig gebrauchten «müssen» den Druck zu nehmen. Statt zu sagen, ich muss noch dies oder das tun/erledigen/machen, empfiehlt die Autorin, Futur I zu gebrauchen. Es erleichtert tatsächlich, entspannt, macht freier.
Alltagsnah auch die Anregungen für Tag 2: ansprechen, anschauen, atmen. Sie beobachtet das klare, direkte Fragen kleiner Kinder: sie sprechen die Person an, von der sie etwas wollen, schauen diese an und in ihrem Atem sind sie meist sowieso präsent. Nachahmenswert. Eine wertschätzende Kontaktaufnahme bringt eher Erfolg als etwas nebenher Gesagtes.
Ganze Sätze führen zu ganzem Glück meint die Autorin und weist auf die Verbindung von Sprache und Realität hin. Vollständige Sätze klären zudem eher die Kommunikation, man wird besser verstanden, wenn man Sätze zu Ende führt. Sie fordert auf, gelassen Sätze mit «Ich» zu bilden und Stummelsätze, die wir manchmal – oft? im Mailverkehr nutzen, zu entlassen. Auch das «wollen» dürfen wir uns gern wieder angewöhnen.
Vom «Aber» sollen wir Abstand nehmen und frei werden von dieser Einschränkung.
Schliesslich können wir immer auf das schauen, was uns beglückt. So können wir Dankbarkeit mit klaren, konkreten Worten direkt ausdrücken.
Das Büchlein verführt auf einleuchtende Weise zum Spiel mit der Sprache und macht Freude.
Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf: Sieben Tage achtsam sprechen, Herder Verlag, Freiburg/Breisgau 2021, 64 Seiten