Frühling
Da steh ich im grünen Gras , es reicht mir bis zu den Knien, so üppig schoss es schon empor. All die Blumen rings um mich, ich fühl mich ihnen nah. Sie sprechen mit mir, ich mit ihnen. Ich zupfe hier und fasse da an, halte mir Blüten unter die Nase, will mir ein Kränzchen flechten, wie mir gerade meine Schwester zeigte.
„Bleib stehen“, ruft mein grosser Bruder und ich gucke verdutzt. Er hat eine Kamera von seinem Patenonkel geschenkt bekommen und öffnet das Lederetui, spannt den Film, dreht an dem Rädchen, schaut durch die Linse, drückt auf den Knopf, freut sich über sein erstes Bild.
Ich will mein Kränzchen zusammen stellen, bei meiner Schwester sah es so leicht aus – wo ist sie?
Schon weiter gerannt, zu den Beeten, nach ihren Pflanzen schauend.
Ich zupfe Gänseblümchen um Gänseblümchen, stecke die Stängel ineinander, verzwirbele sie, drehe sie zusammen, Köpfchen folgt auf Köpfchen.
Wenn ich zu lange probiere, werden die Stängel zu weich und fügen sich nicht mehr aneinander, ineinander. Wenn ich zu kurz hinter der Blüte das Gänseblümchen köpfe, reicht der knappe Stängel nicht fürs Aneinanderheften. Pflücke ich den Stängel zu lang, wird er mir zu weich und folgt nicht mehr meinen Fingern.
Langsam entsteht ein Gänseblümchenstreifen, immer länger wird er.
Zu gross geraten?
Nein, beim Zusammenstecken von Anfang und Ende entsteht ein kartoffelförmiger Kreis, den ich mir auf den Kopf setze. Freude.
(Abenteuer Schreiben mit Imre Török im Kloster Irsee/Allgäu)