Regenreich
Regen.
Regen kann viele Fallrichtungen, Intensitäten, unterschiedliche Dauer und Kraft haben. In der letzten Oktoberwoche lernten wir – sechs Frauen aus Mitteleuropa – zusätzlich zum Luna Yoga , das uns nach Viana do Castelo in Portugals Norden geführt hatte, Regen in vielerlei Variationen kennen. Er prasselte, tropfte, stürmte, tobte, floss in Strömen, tröpfelte, paarte sich mit Donner und Blitz, kam von vorne und hinten, stieb von der Seite, perlte ab, durchnässte bis auf die Haut. Den englischen Gästen kam doch tatsächlich das altmodische, kaum noch benutzte Bild von den Katzen und Hunden: it’s raining cats and dogs. Und niemand hätte wahrscheinlich einen Hund vor die Tür geschickt
Doch wir, die sechsköpfige Reisegruppe aus Österreich, der Schweiz und Deutschland, wir waren unerschrocken und mit passender Bekleidung ausgerüstet. Bei fast jedem Wetter wagten wir uns hinaus, gingen ans Meer, zum Strand, spazierten am Ufer des Flusses Lima entlang. Gleich am ersten Tag liessen wir uns vom Taxi unter klatschenden Regenschauern ins Trachtenmuseum fahren. Wir bestaunten die alten Kunsthandwerke des Klöppelns von Spitzen, des Bestickens von Wollkleidern und Leinengewand. Wir sahen die Utensilien zum Spinnen und Weben, bewunderten die Nähkünste der Altvorderen. Welche Festtagspracht! Und welche Alltagsarbeit!
Als der Himmel gerade seine Schleusen geschlossen hielt, machten wir uns auf den Heimweg, wollten die vier Kilometer zu Fuss am Fluss entlang zurück ins Hotel wandern…Wir hatten nicht mit den Wolken verhandelt: sie schüttelten sich über uns aus, begossen uns von oben, bespritzten uns von allen Seiten, bis wir pudelnass ein Taxi bestellten.
Zum Glück bietet das Hotel Feel Viana ein Spa mit Dampfbad, Sauna, Schwimmbecken und Fitnessgeräten. Verschiedene Massagen von Kopf bis Fuss konnten gebucht werden. Oder man setzte sich in die bequemen Sofas der mit traditionellen Teppichen ausgelegten Lounge, drapierte die bunt bestickten Kissen fürs angenehme Sitzen zurecht, schaute dem wilden Wetter zu und entspannte bei einem köstlichen Milchkaffee, Galao genannt.
Luna Yoga beflügelte täglich je zwei Stunden vor dem Frühstück und vor dem Abendessen. Der Körper genoss Drehungen und Wendungen, Beugen und Strecken, Dehnen und Stärken. Alle Bewegungsrichtungen der Wirbelsäule wurden erkundet. Wohliger Nachklang begleitete dann in den Tag oder schenkte erholsamen Schlaf.
Regenlose Momente wurden in dieser regenreichen Zeit mit besonderer Aufmerksamkeit von Herzen genossen. Wir hielten uns an das alte Zen-Sprichwort: «Da alles ist, wie es ist, vollendet in seiner Form, flüchtig in seiner Erscheinung, können wir getrost in Gelächter ausbrechen». Und so lächelten wir jeder Wetterlaune zu.