Anchor link to top of page

Yoga: artgerecht statt artistisch

,

Yoga – artgerecht statt artistisch

Acroyoga, Poweryoga, SUP-Yoga – und was es noch für neue Formen an Yoga derzeit gibt. Bei einigen steht meiner Wahrnehmung nach eher die Akrobatik als die Achtsamkeit im Vordergrund, geht es mehr um artistische Verrenkungen als um aufmerksames Vertiefen. Worin liegt da der Sinn? Wollen die Leute zum Zirkus?

Meine Klientel jedenfalls hat keine circensischen Ambitionen. Die Menschen, die in meinen Unterricht kommen, wollen etwas für ihre Gesundheit tun. Das ist meist der Antrieb, um sich mit Yoga zu beschäftigen. Man hat gehört oder gelesen, dass es gut sein soll. Also wagt man eine Probestunde. Wenn dann mehr die Glanzleistung des Lehrpersonals zum Tragen kommt als das Gemeinwohl, dann bleibt es bei diesem einen Versuch.

Worum soll es beim Yoga gehen?

Ich möchte die Menschen ermuntern, auf sich selbst zu hören, ihre Empfindungen wieder besser kennen zu lernen. Über Haltungen und Bewegungen, über achtsames hin spüren entdecken sie, wie weit sie gehen können. Sie fangen an, ihren Körper bewusst wahrzunehmen, gehen bald freundlicher mit sich selber um und schliessen Freundschaft mit sich selbst.

Also auch kein Kampf gegen sich oder gar andere, sondern eine wohlwollende und wohlgesonnene Hinwendung zum Leben. Als ich neulich die Oper Satyagraha von Philipp Glass besuchte, in der Gandhis Leben dargestellt und mit Textstücken aus der Bhagavad Gita kunstvoll besungen wird, beglückte mich ein Zitat von Albert Schweitzer im Programmheft:

„Weil sich in der Bhagavad Gita so wunderbare Sätze von der innerlichen Losgelöstheit von der Welt, von der hasslosen und gütigen Gesinnung und von der liebenden Hingebung an Gott finden, pflegt man das Nicht-Ethische, das sie enthält, zu übersehen. Sie ist nicht nur das meistgelesene, sondern auch das meist idealisierte Buch der Weltliteratur.“ (1935)

Geht es dort doch darum, zu kämpfen und sich nicht um die Verwandtschaft, die dabei zu Tode kommen kann, zu scheren. Wie grausam.

Dieses Verständnis von Kampf taucht leider auch immer wieder in einigen Yogaformen auf. Zudem wird oft ganz unbesonnen die Krieger- oder Heldenpose propagiert und mit eben diesem Kampf gegen sich selbst umschrieben. Was für ein Welt- und Menschenbild steckt denn dahinter? Bin ich nie gut genug, so wie ich bin? Bin ich nicht richtig auf dieser Welt?

Mein Verständnis von Yoga ist ein anderes: die Einheit von Körper, Geist und Seele will ich erforschen, mich wieder eingebunden fühlen in die umgebende Natur, die eigene Natur erkunden. Mich vielleicht auch wieder anbinden an etwas Grösseres, eine Entität, die  alltägliches Denken übersteigt. All dies geht langsam vonstatten, organisch und behutsam – artgerecht eben, dem Menschen entsprechend. Ob ich dann noch zum Zirkus gehen mag, mal sehen….Spass am ausprobieren der körperlichen Möglichkeiten habe ich jedenfalls.

Luna Yoga