Abenteuer
Abenteuer – ja, das reizte das kleine Mädchen. Schon das Wort gefiel ihr. Es fängt mit einem grossen A an, genau wie ihr Name, so gehörte das offenkundig zu ihr. Aha, dachte sie dann – gehören also alle A-Wörter zu mir?
Das wird ja ein spannendes Leben voller Abenteuer, die alle mit A beginnen: sie würde nach Afrika reisen, Asien besuchen, Amerika erkunden und Australien erforschen. Das grosse All erschien ihr dann doch zu riesig und sie war froh, dass sie es Weltall oder Universum oder Kosmos nennen konnte, so musste sie nicht noch dorthin. Mit den Kontinenten der Erde war sie schon genug beschäftigt.
Sie lernte einen Alex kennen, verliebte sich, doch war die Liebe nach einigen Jahren zerstoben – Alex war häuslich und wollte sein grosses Anfangs-A im Namen nicht für Abenteuer hergeben. Er nannte sich Lexan und lebte ein lustiges Leben mit Luise in Ludwigsburg.
Die Abenteuerin reiste nach Andalusien, lernte spanisch mit vielen wohlklingenden aus dem Arabischen stammenden Wörtern – wie Algarrobo für den Johannisbrotbaum, Alcazaba für Burg, Almuerzo für Mittagessen, Alhama für Bad, Almacen für Lager, arriba und abajo = oben und unten – sie fühlte sich auch der Wärme wegen in ihrem Element.
André lernte sie im Aufzug kennen. Ein Anzugträger, der ihr aufmerksam die Tür aufhielt. André war achtsam, angenehm, ass gern Auberginen und arbeitete als Anwalt. In seiner freien Zeit spielte er Akkordeon und in seinem kleinen Haus gab es ein Terrarium mit Agamen. Sie bestaunte die kleinen drachenähnlichen Reptilien wie sie sich unter der Wärmelampe sonnten, wie sie artig assen, wie sie dahin dösten.
Aus der Affäre mit André wurde ein Abenteuer neuer Art: sie beschlossen gemeinsam alt zu werden und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute – achtsam, aufmerksam, angenehm ihren Alltag gestaltend.
Schreibwerkstatt mit Regina Dürig, schweizerisches Literaturinstitut