Auflösungen
Marlene Streeruwitz: Auflösungen – Roman, S. Fischer Verlag Frankfurt am Main 2025, 411 Seiten
Auflösungen. Das ist der Titel des neuen Romans von Marlene Streeruwitz.
Was löst sich hier auf?
Zum Beispiel übliche Sprachgewohnheiten, Marlene Streeruwitz schreibt knapp, prägnant. Dieser Stil zieht in Bann.
Die Handlung:Die Lyrikerin Nina Wagner erhält einen Lehrauftrag an einer Universität in New York. Sie nimmt ihn an, weil sie glaubt, so die Sorgen um ihre Tochter, die beim Exmann wohnt, hinter sich lassen zu können. Doch es wird nicht gelingen.
Was immer geschieht, Gedanken und Gefühle an Wien drängen sich dazwischen. Löst sich das Leben der Protagonistin auf?
Zumindest ihre Erinnerungen lösen sich auf: New York entspricht nicht mehr ihren Erinnerungen. Im März 2024 stehen die USA kurz vor der Wiederwahl Donald Trumps: «Ihr Auftrag war ihr klargemacht worden. Sie war faculty. Sie hatte in ihrer inbox im Institut genaue Instruktionen der Universität vorgefunden. Sie war angewiesen worden, wie die Politik der Universität zu befolgen sei und dass es nicht um die Frage von free speech ginge, sondern um die Sicherheit auf dem Campus.»
Die Lyrikerin wird berührt von allem Geschehen ringsherum, sie lehrt wie Gedichte berühren können und zweifelt, ob sie die Studierenden überhaupt erreicht.
Streeruwitz lotst mit kurzen, nicht immer vollendeten Sätzen, in die sie ab und an englische Vokabeln einschiebt, ins Innere der Geschichte, ins Innenleben der Lyrikerin, in die Zeitgeschichte. Sie beschreibt Empfindungen klar und konzis.
Bei der Lesung während der Solothurner Literaturtage Ende Mai formulierte Streeruwitz einen Satz, den ich in einigen Kritiken danach erwähnt fand und der auch mir hängen geblieben war: « Die Metapher ist das Archiv des Patriarchats, drum benutze ich keine.»
Dieser rätselhafte Satz möchte vielleicht auch auf/gelöst werden…