Der eigene Tanz
Little People, Big Dreams ist eine Kinderbuchreihe im Insel Verlag, die Mut macht. Die dort vorgestellten Persönlichkeiten aus verschiedenen Künsten und Wissenschaften träumten als Kinder davon, die Welt zu erkunden, Ungerechtigkeit zu beseitigen, Neues zu entdecken. Jedes Buch schildert mit klaren Bildern und in verständlichen Worten wie aus dem Kind dank Eigensinn und Förderung die erwachsene Person wurde, die Neues, Schönes, Kluges in die Welt brachte.
Die Mexikanerin Frida Kahlo malte sich in die Galerien der Welt; Marie Curie erhielt den Nobelpreis einmal für Chemie und einmal für Physik; Rosa Parks widersetzte sich den Rassegesetzen in den USA; Louise Bourgeois schuf grosse, grossartige Skulpturen bis ins hohe Alter; Simone de Beauvoir beschrieb als eine der ersten wie die Rolle der Frau gesellschaftlich determiniert wird; Zaha Hadid entwarf zukunftsweisende Architektur; Astrid Lindgren prägte die Kinderliteratur neu; Pina Bausch spiegelte im Tanz Alltag und Gesellschaft:
Die kleine Pina hiess eigentlich Philippine und tanzte im Gasthaus ihrer Eltern in Solingen. Berühmt wurde sie, weil sie Tanz und Theater auf neue Weise verband: mit dem Tanztheater Wuppertal entwickelte sie eine frische Ausdrucksweise. TänzerInnen aus aller Welt tanzten in ihrer Truppe, Laien traten mit auf die Bühne, das Hier und Heute bezog Pina Bausch in ihre Choreografien ein. Sie befreite die Körper der Tanzenden vom engen Korsett vorgegebener Traditionen, den Geist von alten ästhetischen Vorstellungen, die Seele aus dem Eingesperrtsein in Konventionen. Radikal bewegend wurde ihr Tanzstil genannt: «Meine Stücke wachsen von innen nach aussen», sagte sie einmal.
In diesem Kinderbuch tanzt Pina Bausch über die Seiten: vor dem Gasthaus, im Gasthaus, an der Ballettstange, vor dem Choreografen der Folkwang Schule in Essen, Kurt Joos, vor der Skyline von New York – dort soll sie sich 184-mal im Kreis gedreht haben ohne schwindlig zu werden. Sie wirbelt über zwei Seiten mit anderen Tanzenden. Auf den nächsten Seiten sieht man die erstaunt kritischen und zum Teil unwilligen Gesichter des Publikums. Dann denkt sie nach und es baut sich ihr Stil auf: Tische und Stühle, akrobatische und alltägliche Bewegungen, schliesslich Blumen auf der Bühne. Anregend und berührend. Auf den letzten Seiten zeigen Fotos Stationen ihres Lebenswegs ergänzt durch eine kurze Biografie der Tanzerneuerin Pina Bausch (27.7.1940-30.6.2009)
Ich kann mir vorstellen, dass gemeinsames Blättern, vorlesen und selber lesen in diesem Buch, Kinder ermuntert, sich ihrer Eigenart bewusst zu werden und diese zu leben.
Dies wünsche ich im Besonderen der an Silvester 2020 zuhause geborenen Cloe Ludmilla, deren Mutter Tanz unterrichtet, eigene Stücke tanzt, während der Schwangerschaft tanzte und meist vergnügt durch ihren Alltag tanzt…
Maria Isabel Sanchez Vegara, illustriert von Hanna Barczyk: Pina Bausch, aus dem Spanischen von Svenja Becker, Insel Verlag Berlin 2020 in der Reihe: Little People, Big Dreams