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Geschichte/n

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Eine Familiengeschichte, eine private Geschichte des Kolonialismus –Teil der deutschen Geschichte von 1913-1948.
«Es dauerte lange, bis ich den Archipel der Geschichten im Meer des familiären Schweigens zu erforschen begann. Ich wollte wissen, was meine Grossmutter mit der Weltgeschichte zu tun hatte», schreibt Katharina Döbler (*1957) ziemlich am Anfang ihres Erzählens, das sogleich in Bann zieht. Neugierig lese ich weiter, erfahre nach und nach woher die bizarren, bunten Gerichte der Grossmutter stammen, spüre die Aufbruchsstimmung, die vier junge Menschen 1913 in die Kolonien lockt: «um den Baaz ihrer Dörfer hinter sich zu lassen.» Sie haben Missionshefte gelesen, einem Missionar der Neuendettelsauer Diakonie gelauscht – und Fernweh bekommen. Das heutige Papua Neuguinea war Anfang des vergangenen Jahrhunderts aufgeteilt zwischen Holland, Grossbrittanien und dem deutschen Kaiserreich.
Linette, die Grossmutter mit den wilden Geschichten war in New York, begegnete Johann Hensolt, dem Südsee-Missionar und folgt ihm als seine Frau nach Neuguinea. Heiner Mohr aus einer grossen Bauernfamilie verwaltet eine Missionplantage dort, seine Frau wäre lieber Ärztin geworden.
Döbler beschreibt  das Leben der Kolonisatoren, die Zeiten und die Zeitenwenden einfühlsam, bildreich, prägnant. Arbeitsame Werktage und fromme Sonntage erfüllen das Leben, unabhängig wer gerade regiert. Man folgt. Die Frauen ebenso.
«Die Weltgeschichte wird nicht von den Frauen gemacht, aber sie müssen darin leben.»
Wie die Weltgeschichte mit zwei Kriegen das Leben der Frauen beeinflusst bringt Döbler den Lesenden berührend nah. Aufbrüche und Abschiede, politische und private Verstrickungen, Ferne und Nähe, Fremdes und Heimeliges lassen eintauchen in die vergangene, untergegangene Zeit.
Lohnende und lehrreiche Lektüre.

Katharina Döbler: Dein ist das Reich, Roman, Claassen Verlag/Ullstein Berlin 2021, 480 Seiten

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