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Ideale im Alltag

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Ideale haben wir wohl alle in der Jugend – und später?
Verflüchtigen sie sich im Alltagsdschungel von Pflichten und Verantwortungen?
Bleiben wir dabei? Gibt es neue? Wonach streben wir? Wie wollen wir leben?
Ich glaube, dass diese Fragen uns Leitgestirn sein können, um ein gutes Leben zu führen. Gut im Sinne von Zufriedenheit, im Frieden mit sich und anderen sein.

Julia Friedrich, 1979 geboren schrieb dieses Buch vor mehr als 10 Jahren, als ihr immer deutlicher wurde, welche Welt wir den Kindern überlassen. Sie hatte gerade einen Sohn geboren und spürte eine neue Verantwortung.
In diesem Buch trug sie zusammen, was sie bei ihrer Recherche fand. Sie besuchte Ex-Politiker und Berater, Menschen, die sie früher als vorbildlich wahrnahm und war erstaunt, wie einigen doch die Ideale abhanden gekommen waren oder wie völlig anders – besonders die Banker – die Welt wahrnahmen.
Eine begeisterte, engagierte Erzieherin in einem Kindergarten hingegen verkörperte, lebte ihre Ideale. Sie sah es als ihre Aufgabe an, den Kindern Chancen zu geben, sie zu fördern, ihnen Lernfreude zu vermitteln. Auch wenn diese wichtige Arbeit kaum angemessen honoriert wird.
Was das Buch zur Lesefreude macht: Friedrichs lässt ihre persönlichen Ideale, ihre privaten Ziele mit einfliessen: ehrlich und konkret erzählt sie, was sie sich vorgenommen hat und was davon sich umsetzen liess: sie schrieb die Geschäfte an, in denen sie einkauft, um künftig nur noch solche zu besuchen, in denen das Personal korrekt bezahlt wird. Entschliesst sich dann für ein Gemüse Abo beim Bauern, da in den wenigsten Läden nicht mal der Mindestlohn gezahlt wurde. Sie wollte in einer Schule den Kindern beim Lesen helfen, doch scheitert dieser Plan an ihren zeitlichen Möglichkeiten.
Während die Finanzmenschen ihre Gutmenschlichkeit belächeln – sie fährt konsequent mit dem Zug – entstehen bei anderen Interviews wertschätzende Gespräche im ebenbürtigen Miteinander. Günter Grass empfiehlt pragmatische Utopie, auch wenn sie oft im Schneckentempo daher komme.

„Vor zwei Wochen hat mein Sohne auf einer Wiese in Brandenburg seine ersten fünf Schritte getan, bald wird er laufen können. Ich weiss nicht, ob ich wirklich dazu beitragen kann, dass die Welt, die ihn erwartet, keine ganz schlechte ist. Noch immer könnte er mir vorwerfen, viel zu wenig getan zu haben….Aber mittlerweile könnte ich ihm guten Gewissens antworten, zumindest ein bisschen zu tun. Ein bisschen ist nicht viel, aber mehr als nichts. Es ist die Dosis, die zu mir passt. Der Kampf gegen den Felsen mag, wie Camus schrieb, ein Menschenherz ausfüllen. Ich will ausprobieren, ob das auch durch das Rollen von Kieselsteinen gelingt.“

Julia Friedrichs: Ideale – Auf der Suche nach dem, was zählt, Hoffmann und Campe, Hamburg, 2011, 271 Seiten

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